Am Anfang waren das Eis und das Wasser. Später kamen die Menschen in die Region der heutigen Lausitz und mit ihnen Bergbau, Wirtschaft und Traditionen. All das hat die Landschaft hier geprägt. Seit Jahrhunderten befindet sie sich in einem steten Wandel. Wenn sich etwas in der Lausitz verändert, bleibt aber auch immer etwas erhalten – ein großes Erbe, das die Region eint.
Die von der UNESCO ausgezeichneten Kulturlandschaften sind schon sehr lange Heimat und Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Es sind Ankerpunkte in einer sich stetig wandelnden Region. Transformation, Klimawandel und Energiewende sind heute große Themen in der Lausitz. Sie bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen Tradition und Aufbruch, zwischen Identität und Innovation. All das macht sie zu einer Modellregion für Gegenden weltweit mit ähnlichen Herausforderungen. Die gemeinsame Botschaft der fünf UNESCO-Stätten heißt deshalb: Die Lausitz ist eine bewegte Landschaft im Wandel.
Schauen wir uns die Entwicklung der Lausitz einmal genauer an. Dicke Gletscher schoben sich vor rund 350.000 Jahren bis nach Mitteldeutschland voran. Während der sogenannten Elster-Eiszeit verschwanden weite Teile Norddeutschlands unter Eismassen. Die bis zu 500 Meter dicken Gletscher verformten den Untergrund bis zu einer Tiefe von 300 Metern. Sie bewegten Erdschichten nach oben und türmten gewaltige Schuttmassen auf. Eine dieser Spuren aus der Vergangenheit sieht aus wie ein großes Hufeisen: der Muskauer Faltenbogen. Er ist heute UNESCO Global Geopark.
Erst vor rund 10.000 Jahren waren die Gletscher der letzten Eiszeit geschmolzen. Gigantische Wassermassen blieben zurück. Auch das Baruther Urstromtal entstand damals. Es glich einem perfekten Bett für die Spree. Wegen des geringen Gefälles verzweigte sich der Fluss in einem weiten Binnendelta in sogenannte Fließe. Es war die Geburtsstunde des Spreewalds mit seinen unzähligen Wasserstraße. Erst im 18. Jahrhundert legten die Bauern Kanäle an. Sie wollten das Land entwässern und Platz für Felder gewinnen. Mit viel Fingerspitzengefühl wird im UNESCO-Biosphärenreservat Spreewald heute Landwirtschaft betrieben.
Im Zuge der Völkerwanderung kamen im 6. Jahrhundert westslawische Stämme in die Lausitz und den Spreewald. Die Lusizer und Milzener ließen sich hier nieder. Ihre Sprachen klangen sehr ähnlich. Später wurden sie deshalb alle als „Sorben“ bezeichnet. Im Spreewald hat sich die Bezeichnung „Wenden“ gehalten. Ihre Traditionen prägen die Region bis heute. Dazu gehören die bekannten Osterbräuche oder auch die typische Baukultur. Auch die sorbische Sprache wird gepflegt und unterrichtet. Straßenschilder und Wegweiser in der Lausitz sind zweisprachig beschriftet.
Um das Jahr 1200 begannen die Menschen in der Lausitz zahlreiche Teiche für die Fischzucht anzulegen. Das Gebiet eignete sich dafür hervorragend. Es gab Flussniederungen und sumpfiges Gelände. Die bekannten Lausitzer Karpfen werden auch heute noch nach traditioneller Art gehalten. Alles geschieht im Einklang mit der Natur. Im UNESCO-Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft können sich Besucher davon überzeugen.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts lässt sich eine besondere religiöse Gemeinschaft in der Lausitz nieder. Die sogenannten Böhmischen Brüder können ihren Glauben damals im tschechischen Mähren nur noch heimlich ausleben. Sie werden verfolgt. Nikolaus Graf von Zinzendorf bietet ihnen Zuflucht auf seinem Gut im Oberlausitzer Ort Berthelsdorf. Dort gründen sie die Siedlung Herrnhut. Es ist der Beginn der Herrnhuter Brüdergemeine. Der missionarische Gedanke leitet sie bis in die Gegenwart. Heute gehören weltweit 30 Provinzen mit rund 1,2 Millionen Mitgliedern zur Glaubensgemeinschaft. Aktuell läuft ein Antrag bei der UNESCO. Die „Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine“ sollen Welterbe werden. Die Brüdergemeine ist übrigens auch verantwortlich für eine berühmte Tradition. Der erste Herrnhuter Stern leuchtete vor über 180 Jahren in den Internatsstuben der Brüdergemeine. Ein dortiger Erzieher hatte ihn entwickelt. Der Stern sollte das geometrische Verständnis der Kinder fördern. Heute gehört der Stern in vielen Familien zum Weihnachtsfest.
Es ist der größte Landschaftspark Zentraleuropas im englischen Stil: Mit 830 Hektar begeistert das UNESCO-Weltkulturerbe Muskauer Park/Park Mużakowski jedes Jahr tausende Besucher. Hermann Fürst von Pückler-Muskau gestaltete ihn zwischen 1815 und 1845 rund um das Schloss in Bad Muskau. Auf einzigartige Weise verbindet der Park Natur und Kunst – und gleichzeitig zwei Länder. Der Park reicht über die Neiße nämlich bis nach Polen.
Die Gletscher der Eiszeit drückten wahre Schätze in die Nähe der Erdoberfläche. Feine Glassande, Tone und vor allem Braunkohle warteten in der Lausitz darauf, entdeckt zu werden. Ab Ende des 19. Jahrhunderts begann die Förderung der Bodenschätze. Bis zu 80 Braunkohlegruben waren allein im Muskauer Faltenbogen zwischen 1840 und 1970 in Betrieb. Im Jahr 1985 kamen 20 Prozent der Weltfördermenge an Kohle aus der Lausitz.
Bodenschätze sind jedoch endlich. Schon zu Hochzeiten des Braunkohleabbaus in den 1960er-Jahren waren manche Tagebaue erschöpft. Sie wurden geschlossen. Die Natur blieb teilweise sich selbst überlassen. Andererseits wurden Bergbaugebiete aktiv renaturiert. Stillgelegte Tagebraugruben wurden geflutet. So entstand das Lausitzer Seenland. Nach und nach entwickelte sie sich zur größten von Menschenhand geschaffenen Wasserlandschaft in Europa.
Die Lausitz hat bereits eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. Halten wir also kurz inne und schauen, was Sie schon über die Entstehung der Region wissen.